Wenn der Weg klar ist, ist der Kopf frei für Natureindrücke - der Stoneman Glaciara

Wenn der Weg klar ist, ist der Kopf frei für Natureindrücke - der Stoneman Glaciara

Mein Blick ist schon um die Kurve, auf der Suche nach unserem Guide. Da ist er! Wie immer auf dieser Tour ist uns der Guide eine Ecke voraus und weist Alex und mir in Form eines roten Stoneman den Weg - mal ist das Zeichen auf einen Felsen gemalt, mal an einem Pfosten aufgeklebt und mal als quadratisches Schild unter den gelben Wanderwegschildern angebracht. Die Idee zum Stoneman Trail stammt vom Südtiroler Ex-MTB-Profi Roland Stauder. Er möchte Mountainbiker «mitnehmen in eine Welt voller Emotionen, um euch das Gefühl zu geben, um das es uns eigentlich gehen sollte: nicht um Leistung, nicht um Technik, sondern um das Naturerlebnis.»

Die roten Stoneman-Zeichen ersparen uns die Tourenplanung im Vorfeld

Dank der roten Stoneman-Zeichen konnten wir uns relativ spontan zu dieser Mehrtages-Mountainbike-Tour entscheiden – denn sie ersparen uns die Tourenplanung im Vorfeld. Ein wenig Gedanken mussten wir uns im Vorfeld natürlich trotzdem machen: Für die Registrierung des Starterpakets und die Hotelbuchung müssen wir vor dem Start entscheiden, ob wir die 127 Kilometer und 4700 Höhenmeter in einem, zwei oder drei Tagen fahren und die Etappen entsprechend einteilen. 

Starterpakete gibt es in drei Varianten: Stoneman Basic enthält die Nennung auf der Finisher-Liste im Internet (wer das nicht mag, muss natürlich nicht), die Starterpakete Trophy Stone und Trophy Complete enthalten zusätzlich einen Stein in Gold, Silber oder Bronze - je nachdem ob man den Stoneman Glaciara in 1, 2 oder 3 Tagen fährt. Im Starterpaket Trophy Complete ist zusätzlich noch die Mountainbike-Trophäe enthalten. 

Als Erststarter entscheiden wir uns für das Starterpakete Trophy Complete und die Bronze-Tour in drei Tagen mit folgender Etappenaufteilung:

  • Zum Warmwerden fahren wir am 1. Tag von Bellwald zur Bettmeralp mit 41 Kilometern und 1600 Höhenmetern

  • «all-in» heisst es an Tag 2 auf der Königsetappe von Bettmeralp über das Breithorn nach Ernen mit 63 Kilometern und 2400 Höhenmetern 

  • An unserem dritten und letzten Tag rollen wir von Ernen über Reckingen auf 30 Kilometern und 700 Höhenmetern nach Bellwald

Alles hat einen Preis – auch unsere Spontanität: unsere Wunschhotels sind bis auf das Starthotel Onya schon ausgebucht. Aber das ist halb so schlimm: auf der Stoneman Glaciara Seite gibt es zahlreiche Partner Hotels, die auf Mountainbiker eingestellt sind - es finden sich Alternativen.

Eine beeindruckende Begegnung, der Aletschgletscher zum Anfassen und Rumpeldipumpel Passagen auf der ersten Etappe von Bellwald zur Bettmeralp 

Mit abwechslungsreichen Trails startet unsere erste Etappe in Bellwald hinunter ins Fieschertal. Dort kommen wir mit einer Schweizerin ins Gespräch. Sie erzählt uns von ihrer geplanten Hochtour in der kommenden Woche auf einen 4000er und ihrem nächsten Fahrrad-Urlaub an der Nordsee, bei dem sie als eine von dreien und als einzige Frau ohne E-Bike fahren wird. Unsere Neugierde ist geweckt, indiskret fragen wir nach ihrem Alter – «75» antwortet sie. Wir sind baff. Es ist eine von vielen inspirierenden und herzlichen Begegnungen mit Wallisern und Wanderern.

Beim Blick in die in allen Blautönen schillernde Eishöhle muss ich den Atem anhalten.

Kurz darauf beginnt unser 1.100 Höhenmeter-Anstieg von Lax zur Fiescheralp. Dort essen wir zu Mittag bevor es weiter hinauf zu unserem ersten Checkpoint Märjela geht. Ein paar Meter nach dem Tunnel und vor der Gletscherhütte am Märjelensee sehen wir ein Schild: «Aussichtspunkt Aletschgletscher: 10 Minuten» Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen! Vom Aussichtspunkt eröffnet sich ein toller Blick über den Aletschgletscher. Unten sehen wir Menschen direkt am und sogar auf dem Eis und vor uns einen Wegweiser hinunter zum Aletschgletscher. Wenn wir schonmal hier sind, wollen wir den Gletscher natürlich aus nächster Nähe sehen. 

Der anfangs gut erkennbare Weg verliert sich schnell – er hat den Winter nicht überstanden. Der verlässlichste Wegweiser ist der Gletscher selber. Hin und wieder zeigen uns Wegmarkierungen, dass wir richtig sind. Die meiste Zeit allerdings erkennen wir keinen Weg, sondern klettern über Steine und Felsblöcke grob in Richtung Gletscher. Mit meinen Five Ten Schuhen habe ich es da um einiges leichter als Alex. Unser Zickzack macht die etwa 100 Höhenmeter beschwerlich und langwierig. 

Beim Blick in die in allen Blautönen schillernde Eishöhle, durch die ein Fluss in den Gletscher hinein- und unter ihm hindurchfließt, muss ich den Atem anhalten. Das Farbenspiel der Sonne durch das Eis und der schäumende Fluss sind beeindruckend. Wir kommen mit Wanderern ins Gespräch, die jedes Jahr herkommen und berichten, der Gletscher sehe jedes Jahr anders aus. Wo wir dieses Jahr die Höhle sehen, war letztes Jahr ein See. Der Abstecher zum Aletschgletscher kostet uns etwa 2 Stunden. Aber er ist sie definitiv wert.

Ein Trail mit leichter Steigung führt uns nur wenige Kurbelminuten später zum nächsten landschaftlichen Highlight: Blick auf den Fieschergletscher. Von dort aus geht es fast durchgehend über abwechslungsreiche Trails mit ein paar Gegenanstiegen zurück zur Fiescheralp und weiter zur Bettmeralp: von Rumpeldipumpel-Steinpassagen über Spitzkehren bis zu flowigen Abschnitten ist alles dabei. 

Weitere herzliche Begegnungen mit Wallisern, unsere Suche nach Mittagessen und ursprüngliche Natur auf der Königsetappe von der Bettmeralp nach Ernen

Direkt nach dem Frühstück erwartet uns der Anstieg zu unserem 2. Checkpoint: zuerst über eine breite Schotterstrasse, dann über Trail pedalierend und später schiebend hinauf zur Moosfluh. Von dort haben wir nochmal einen grandiosen Blick zum Aletschgletscher. Nach dem Abstempeln am Checkpoint rollen wir über flowige Trails und die Schotterstrasse, die wir hochgefahren sind, wieder hinab. Dieser Streckenteil ist eine Schleife, die laut Streckenführung im Uhrzeigersinn gefahren wird. Noch mehr Trailerlebnis bergab und weniger Mühe bergauf hat man, wenn man sie entgegen des Uhrzeigers fährt. Von der Bettmeralp und über Wiesentrails weiter zur Riederalp führt uns dann ein Forstweg in Richtung Tal. Gerade als ich anfange, mich über die verschenkten Höhenmeter zu ärgern, entdecke ich einen Stoneman der links hinab in einen Trail weist. Jippie!

«Freundlichkeit ist ein Spiegel»

Der Trail führt uns durch ein Dorf, in dem uns ein Mädchen kalten Pfefferminztee und Wasser mit Holundersirup anbieten. Alex und ich äussern unsere Freude über die Herzlichkeit der Walliser und dass wir bisher ausschliesslich freundlichen Menschen begegnet sind. «Freundlichkeit ist ein Spiegel» hören wir neben uns eine Frau sagen, die gerade ihre Blumen giesst. Beschwingt rollen wir weiter talwärts bis Morël und pedalieren dann durchs Tal mit leichter Steigung nach Grengiols, wo wir gegen 12:30 ankommen.

Genau so hatten wir es geplant: Zu bester Mittagessenszeit in Grengiols ankommen und uns für den 1450 Höhenmeter langen Anstieg aufs Breithorn stärken. Das Dörfchen scheint in der Mittagsruhe versunken zu sein - kein Mensch weit und breit, nur eine Katze sitzt mitten auf der Dorfstrasse. Aus der Strasse hinter uns kommt ein Herr, den wir fragen wo es einen Supermarkt oder ein Restaurant gibt. «Fragt mal im Edelweiss und wenn es da nichts gibt, unten in der Grängjerstuba.»

«Die Küche hat heute geschlossen»

Ich drücke die Klinke an der Tür zum Edelweiss hinunter - sie öffnet sich. Dahinter ist es allerdings dunkel und leer. Mit einem „Grüezi“ mache ich mich bemerkbar. Nichts rührt sich. Ich versuche es nochmals lauter. Da kommt eine ältere Dame aus dem Hinterzimmer und lässt mich wissen, sie sei heute alleine und die Küche habe geschlossen.

Nächster Versuch bei der Grängjerstuba. Hier steht die Tür offen. In der Hoffnung auf ein warmes Mittagessen trete ich ein. Drinnen bietet sich allerdings das gleiche Bild wie im Edelweiss: dunkel und leer. Wieder mache ich mich mit „Grüezi“ bemerkbar. Mehrmals. Ich bin kurz davor, aufzugeben und Alex zu informieren, dass jetzt der Zeitpunkt für unsere Notfall-Ration - Riegel und ein belegtes Brot - gekommen ist. Da höre ich die Toilettenspülung und eine ältere Dame tritt in den Gastraum. 

«Bekommen wir bei Ihnen etwas zu essen?» Schweigen. «Was denn? » «Egal. Irgendetwas, was Sie da haben.» «Schnitzel mit Pommes?» «Haben Sie auch etwas ohne Fleisch?» Ich bin zwar keine Vegetarierin, aber ich esse so selten Fleisch, dass ich fürchte, das Schnitzel sässe mir später am Berg zu schwer im Magen. Kurze Zeit später lassen wir uns Omelett, Salat und Pommes schmecken.

Den Berg fährt jede von uns in ihrem eigenen Tempo. Ich teile mir die auf 1450 Höhenmeter verteilten Kehren in 2 * 5 + 4 ein. Die ersten 5 Kehren gehen gut. Auch die zweiten fünf. Dann wird es zäh. Auf den letzten 500 Höhenmetern halten wir gefühlt alle 10 Meter an. Irgendwann summieren sich die 10 Meter auf 500 Höhenmeter und wir erreichen den Checkpoint. Ein unbeschreibliches Gefühl.

Eine neue Welt öffnet sich

Dahinter öffnet sich eine ganz neue Welt: keine Lifte, keine Ortschaften. Die Natur wirkt wild und unberührt. Ein Wermutstropfen ist für mich, dass wir die hart erarbeiteten Höhenmeter auf Schotterstrasse bergab bis zum nächsten Checkpoint Binn fahren. Einsamkeit und Ursprünglichkeit versöhnen mich - ein anspruchsvoller Trail hätte meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und ich hätte weniger von der Landschaft mitbekommen, ganz zu schweigen davon wie viel Konzentration und Kraft ich nach den heutigen Kilometern und Höhenmetern noch hätte aufbringen können. Es ist gut so, wie es ist.

Nach unserer 2. Etappe wollten wir in Ernen im BerglandHof übernachten – dort waren aber alle Zimmer ausgebucht, sodass wir für die Nacht auf die andere Talseite wechseln. Nach extra Höhenmetern und Kilometern ist uns heute nicht. Wir machen aus der Not eine Tugend, lassen die Fahrräder in Ernen stehen und fahren mit dem Taxi auf die andere Talseite. Ja, ja, ich weiss, das ist eine für Mountainbiker nicht ganz rühmliche Entscheidung. Andererseits hätten wir ohne Taxifahrt die Hängebrücke verpasst. Der Tipp am nächsten Morgen statt mit dem Taxi kostengünstig mit dem Zug von Fiesch nach Fürgangen-Bellwald zu fahren und von dort zu Fuss über die Hängebrücke zurück auf die andere Talseite zu gehen kommt nämlich von unserem - wie kann es im Wallis anders sein?! - supernetten Taxifahrer. Der uns noch nebenbei erzählt, dass hier in der Gegend, in der wir uns gerade befinden, erst kürzlich ein Braunbär, aus Italien kommend, seine neue Heimat gefunden hat.

Liebliche Landschaften, Wiesentrails und Respekt für uns Stonewomen auf der 3. Etappe von Ernen zurück nach Bellwald

Pünktlich um 7:56 fährt die Matterhorn Gotthard Bahn in Fiesch ein. Mit unseren Helmen und Shorts sind Alex und ich unschwer als Mountainbiker zu erkennen. Wir fühlen uns seltsam so ohne Bikes, die wir freundlicherweise in dem ausgebuchten Hotel in Ernen über Nacht unterstellen durften und jetzt wieder abholen wollen. Eine Station später steigen wir in Fürgangen-Bellwald wieder aus und gehen zu Fuß über die 280 Meter lange und 1,40 Meter breite «Goms Bridge» hoch über dem weissschäumenden Fluss Rhone hinüber nach Mühlebach und von dort aus über einen Wanderweg zu unseren Mountainbikes.

Die heutige Etappe startet mit leichter Steigung talaufwärts – mal über Strasse durch ein Dörfchen, mal über Schotterwege am Rhone und auch mal an der Autostrasse entlang durch Schweizerische Idylle. In Reckingen wollen wir unsere Karte ein vorletztes Mal abstempeln – allerdings ist der Stempelstift unten hängengeblieben, sodass wir die Karten nicht einschieben können. Wir machen unser obligatorisches Checkpoint-Beweisfoto um dann die allerletzten 10 Kilometer und 450 Höhenmeter anzugehen, die uns im Vergleich zu gestern zunächst unscheinbar vorkommen.

«Respekt. Ihr könnt sehr stolz auf eure Leistung sein»

Auf einem Wiesentrail kommt nochmal Flow auf, bevor uns der Anstieg zurück nach Bellwald uns nochmal die Zähne zeigt. Ganz quallos entlässt uns der Stoneman Glaciara natürlich nicht. Wir schwitzen nochmal ordentlich und steigen auch bei der ein der anderen Rampe ab und schieben unsere Mountainbikes. Kurz vor unserem letzten Checkpoint kommen wir an einer Erfrischungsstation für Stonemänner und Stonefrauen vorbei, die nette Bellwalder aufgestellt haben. Auch wenn es nur noch ein paar Hundert Meter bis zu unserem letzten Checkpoint sind, halten Alex und ich hier an. Nur ein paar Minuten nach uns treffen sechs weitere Stoneman Mountainbiker ein – von einer Sechsergruppe im Hotel gestern Abend und zwei Jungs am ersten Tag abgesehen sind es die einzigen, die uns in den drei Tagen begegnet sind. «Respekt. Ihr könnt sehr stolz auf eure Leistung sein» loben sie uns. Mountainbikerinnen haben sie auf dem Stoneman Glaciara bisher nicht gesehen. Genau wie wir. Erschöpft und happy kommen wir an unserem letzten Checkpoint in Bellwald an. Noch ein letztes Mal stempeln – und dann wartet das Finisher-Bier auf der Sonnenterrasse vom Hotel Onya, unserem Startpunkt vor zwei Tagen, auf uns. Wir haben es geschafft!

Eine Mehrtagestour mit viel Gipfel- statt GPS-Blick

Ich habe den Stoneman Glaciara als tolle Mehrtagestour kennengelernt, die alles bietet, was mein Mountainbikerinnen Herz höher schlagen lässt: viel Zeit für Blicke auf die umliegenden Gipfel statt das GPS am Lenker, abwechslungsreiche Trails, fordernde Anstiege und atemberaubende Natur. Mein Trailherz ist von Bellwald bis zur Bettmeralp gehüpft. Auf dieser Etappe gibt es bergab fast nur Trails mit teilweise anspruchsvollen Passagen: Spitzkehren, Absätze, Rumpeldipumpel-Steinfelder im S2/S3 Bereich – für einen erfahrene Mountainbiker alles fahrbar. Der Rest der Tour ist trailmässig einfach. Auch wenn es ein paar einfache Tiefenmeter vom Breithorn und auch phasenweise von der Riederalp hinunter auf Schotter gibt, die mir als Trainliebhaberin wehtun, ist der Stoneman Glaciara für Mountainbike-Anfänger meiner Meinung nach nicht geeignet. Landschaftlich ist die Tour durchweg ein Highlight. Und die Walliser Herzlichkeit gegenüber uns Mountainbikern gibt’s on top!

Wissenswertes

Starterpakete

Starterpakete bekommst du bei allen offiziellen Ausgabestellen und als Hausgast bei den Stoneman Glaciara Partner Hotels. Sie kosten zwischen 34 CHF für Stoneman Basic und 69 CHF für Trophy Complete. Wenn ihr euch als Team anmeldet, zahlt nach der regulären Anmeldung des ersten Starters jeder weitere Starter 15 CHF weniger – so kostet z.B. Trophy Complete nur 55 CHF statt 69 CHF.

Übernachtung

Der Stoneman Glaciara hat 19 Partner Hotels entlang der Strecke, die auf Mountainbiker eingestellt sind. Die Preise variieren und liegen in der Sommersaison zwischen 60 CHF (z.B. in der Pension Tourist) und 150 CHF (z.B. im The Onya Resort & Spa) pro Person im Doppelzimmer mit Frühstück.

Weitere Tipps

7 weitere Tipps für den Stoneman Glaciara habe ich für euch zusammengestellt.


Bist du schonmal einen Stoneman Trail gefahren? Wie sind deine Erfahrungen? Wenn nicht: Was reizt dich daran oder hält dich ab?


Anmerkung: Diesen Blogpost habe ich für www.fahrrad.de und www.bikester.ch im Rahmen einer Pressereise geschrieben. Für die Veröffentlichung auf meinem Blog habe ich ihn leicht abgeändert. Hier geht es zu dem Bericht von mir bei www.bikester.ch.

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