Reisen ist Raum fürs Überraschen-Lassen – Moab Teil 2

Reisen ist Raum fürs Überraschen-Lassen – Moab Teil 2

Es ist fast so, als würden wir alte Freunden treffen.

Mit Banana-Peanutbutter-Pancakes im Bauch rollen wir am Highway entlang zur Moab Cyclery. Von Weitem erkennen wir ein paar Grüppchen mit Mountainbikes an der Strasse stehen. Beim Näherrollen entdecken wir bekannte Gesichter: die Jungs aus Colorado, denen wir am Vortag auf dem Magnificient 7 Trail immer wieder begegnet sind. Schnell finden wir heraus, dass wir den gleichen Plan für heute haben: The Whole Enchilada.

Wir warten auf das Shuttle. Neugierige Blicke liegen auf meinem Radl und ich werde von den anderen Wartenden gefragt, was das für ein Radl sei. Egal wo wir in den USA bisher waren – überall sind wir schnell ins Gespräch gekommen. Erster Anknüpfungspunkt sind meist unsere Mountainbikes – 26er sieht man kaum (noch) in den USA – oder unsere Bike Travel Bags. Kaum habe ich etwas über mein Liteville 301 erzählt, da fährt das Shuttle auch schon vor.

Ohne Helm kein Trail.

Ausser dem Fahrer steigt eine weitere Person aus. Heruntergelassene Knieschoner, Rucksack in der einen und Trinkflasche in der anderen Hand – unschwer als Mountainbiker zu identifizieren. Der erste und einzige Mountainbiker ohne Grinsen im Gesicht, dem ich in Moab begegne (mich selber zu Beginn unseres Aufenthalts konnte ich ja nicht sehen ;)). Ich frage ihn, was passiert sei. «I forgot my helmet.» Das hat er allerdings erst oben am Traileinstieg festgestellt. Shit happens.

Bis auf den letzten Platz bepackt verlässt der Shuttlebus die Stadt in Richtung Osten. Es geht eine kleine asphaltierte Strasse bergauf. Leider können wir nicht bis ganz nach oben fahren, denn der Schnee von gestern ist am Burro Pass noch nicht weggetaut. Dass wir am Traileinstieg angekommen sind, ist leicht zu erkennen – Räder und Rucksäcke liegen am Boden, Pick-Ups stehen am Strassenrand und Mountainbiker (Frauen habe ich keine entdecken können) machen sich abfahrtbereit.

 

Die Luft ist klar und frisch. Unerwartet frisch.

Es ist frisch hier oben. Unerwartet frisch. Vor der Hitze in Moab wurde ich gewarnt – vor einstelligen Temperaturen Ende Mai kurz vor 12 Uhr Mittag nicht.

Die verpassten Trailkilometer holen wir mit einer extra Schleife auf dem neu angelegten Jimmy Keen Trail wieder rein. Unser leichtes Frösteln vertreibt er schnell, der erdige Trail, der sich auf und ab in vielen flowigen Kurven zwischen grünen Büschen windet. Nach gut 12 Kilometern trifft er auf die Upper Porcupine Section – oder nur UPS – und der Untergrund wird felsiger. Es dauert nicht lang und wir kommen an den Rand eines Canyons. Wir halten an – nicht, weil der Trail so schwierig ist, sondern wegen des überwältigenden Blicks in die Tiefe, der sich vor uns auftut.

 

The Whole Enchilada bietet – der Name deutet es an – alles, was sich ein Mountainbiker von Moab erträumt: Singletrail mit Nervenkitzel direkt am Canyon entlang, roter Slickrock, grandiose Ausblicke, anspruchsvolle Abschnitte und Passagen zum Laufen-Lassen.

 

Unser Tempo und das der Colorado-Jungs ist in etwa gleich – an Aussichtspunkten und an kniffligen Passagen treffen wir uns immer wieder. Es fühlt sich fast so an, als würden wir mit Freunde radeln. Ausserdem kann ich ihnen noch ein, zwei Trailtipps in Durango entlocken und erfahre, dass die zwei Cracks unter ihnen in einer College Mannschaft gefahren sind. Nach 45 Kilometern und 1600 Tiefenmetern stösst der Trail auf den Fahrradweg, der uns zurück nach Moab bringt.

Bekannte Gesichter auch in der Moab Brewery.

Wir entscheiden uns für ein frühes Abendessen in der Moab Brewery, die uns mein Freund Hans empfohlen hat. Die Räder lassen wir mit einem dünnen Drahtschloss und einem leicht mulmigen Gefühl am Fahrradständer zurück. Sollte es jemand auf Radklau abgesehen haben, wird er sicher keine veralteten 26er auswählen, trösten wir uns. Wir haben Glück: als wir – viel später als geplant und im Dunkeln – zu den Rädern kommen, stehen sie noch da.

Drinnen empfängt uns ausgelassene Stimmung und eine kurze Warteschlange vor dem Empfang. In einer halben Stunde soll im Restaurant ein Tisch frei werden. Statt auf dem Bänkchen zu warten, überbrücken wir die Wartezeit im Bar-Bereich bei einem Dead Horse Ale, für das die Brauerei bekannt ist. Als wir sehen, dass an den hohen Tischen auch Essen serviert wird, ist klar, dass wir nicht auf einen Tisch im Restaurant warten – unser Hunger ist nach diesem Trailtag riesig. Wir bestellen Steak und Burger.

Der recht große Raum ist in verschiedene Bereiche unterteilt und mit Fahrrädern und US-Flaggen dekoriert, so dass trotzdem eine gemütliche Atmosphäre entsteht. Auch in der Moab Brewery treffen wir zwei bekannte Gesichter – die beiden Mountainbiker, mit denen wir uns am Vortag im Shuttle unterhalten hatten, die allerdings so schnell waren, dass wir sie nach der dritten Kurve nicht mehr auf dem Magnificient 7 gesehen haben.

Nach zwei Bier sind wir verabredet – Bike & Barbecue in Santa Barbara

"Ihr seht aus, als würdet ihr demnächst aufbrechen." Die blonde Frau deutet unsere ausgetrunkenen Biergläser richtig – wir warten nur darauf, bezahlen zu dürfen. Um dann im RV den Trailstaub von uns abduschen zu können. "Dürfen wir dann euren Tisch übernehmen?" "Natürlich! Wir warten nur noch auf die Rechnung. Wollt ihr euch so lange zu uns setzen?" Michael zeigt auf die beiden freien Stühle bei uns am Tisch. Wir kommen ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass die beiden –Überraschung ;) – auch zum Mountainbiken in Moab sind und aus Santa Barbara kommen. In Santa Barbara planen wir auch einen Stopp einzulegen. Zwei Bier später sind wir mit Alix und Steve zu Bike & Barbecue in Santa Barbara verabredet. 

Reisen – Raum fürs Überraschen-Lassen.

Moab scheint ein Dorf zu sein. Entgegen meines ersten, nicht sehr positiven Eindrucks sogar ein sehr sympathisches. Ich bin vollends versöhnt mit der Stadt ;) Vor allem wegen der Trails. Und noch mehr wegen der schönen Begegnungen – vor allem der mit Steve und Alix. Der Raum und die Offenheit für Neues, für Spontanes, fürs Überraschen-Lassen – das macht das Reisen für mich so einzigartig, so bereichernd.

Was macht Reisen für euch aus? Ich bin neugierig zu erfahren, warum ihr reist.

 


Wer unseren Roadtrip von Anfang an verfolgen möchte, erfährt hier von unseren Urlaubsplänen und der geplanten Reiseroute. Über unsere Erlebnisse in Denver berichte ich hier, über Durango hier und von Magnificient 7 in Moab hier.


Hintergrundinformationen und Tipps

Fahrtzeiten und Strecken

Von Durango nach Moab sind es 260 km. Wir hatten Schnee und Nebel und konnten nicht so schnell fahren, sodass wir den sicher lohnenden Abstecher zum Mesa Verde Nationalpark ausgelassen haben.

Campingplätze in Moab

Die Campingplätze, die südöstlich von der Innenstadt liegen, sind für Mountainbiker komfortabler, weil man sich ein paar zusätzliche Bergauf-Kilometer nach der Tour spart:

Wir haben im Moab Rim Campark gestanden, der knapp 5 km ausserhalb von Moab liegt. Ein Stellplatz für einen RV mit Full Hook-Up kostet zwischen 34 und 42 US pro Nacht. Beide Touren, die wir gefahren sind, enden am entgegengesetzten Ende der Stadt, d.h. wir mussten nach den Touren immer noch ein paar Kilometer leicht bergauf zurück zu unserem Campingplatz pedalieren.

Wer etwas zentraler, sprich in Gehweite zur Innenstadt campen und sich ein paar Extra-Kilometer nach der Tour sparen möchte, kann das bei Canyonlands RV Resort & Campground. Unserer Erfahrung nach sollte man hier reservieren ;)

Auf dem Rückweg von «The Wohle Enchilada» haben wir noch Stellplätze direkt am Colarado River entdeckt. Der Grandstaff Campground ist für Zelte und kleine Fahrzeuge ausgelegt, die nach dem first-come first-serve Prinzip vergeben werden. Der einfache Campingplatz– es gibt eine Toilette und ansonsten keine weiteren Einrichtungen – ist eine schöne Alternative für diejenigen, die Naturerlebnis dem Komfort vorziehen.

Trails in Moab

Moab ist eine mit Finale vergleichbare Mountain Bike Destination, in der Höhe kaum aus eigener Kraft erreicht wird. Auch wir sind in Moab nur geshuttled – beide Mal mit Moab Cyclery. Die Abfahrtszeiten sind je nach Saison und Nachfrage unterschiedlich – also am Besten vorher erfragen und gleich buchen. Soweit wir recherchiert haben, ist es zwar möglich zu den Trails zu treten – aber nicht lohnend. Denn die Anfahrten sind sehr weit. Und die Trails lang. Es heisst also sehr früh aufstehen, wenn man selber hoch pedalieren möchte. Wer mit einem überlangen alten T3 VW Bus zum Trail gefahren werden möchte, ist bei Coyote Shuttle richtig.

Auf den Trails gibt es keine Hütten oder andere Verpflegungsmöglichkeiten – also unbedingt ausreichend Wasser und Essen mitnehmen. Und sich für den Fall einer Panne oder Verletzung oder sollte es einfach zu heiss werden um weiterzufahren alternative Trailausstiege über Forstwege auf der Karte und / oder dem GPS Track ansehen.

Die Shuttlefahrt zu Magnificent 7 kostet 25 USD pro Person inklusive Rad. Abfahrt war bei uns um 10:30. Da an dem Tag viel los war, gab es um 8:30 eine zusätzliche Shuttlefahrt. Der Magnificent 7 Trail ist 35 Kilometer lang und hat 1200Tiefenmeter und 550 Höhenmeter. Hier findet ihr den GPS Track von The Magnificent 7  als Download.

Zu The Wohle Enchilada fährt Moab Cyclery in der Regel einmal am Tag – wir sind um 10:30 abgefahren. Uns hat die Shuttlefahrt 25 USD pro Person inklusive Rad gekostet. Denn aufgrund von Schnee im oberen Teil konnten wir nicht bis ganz hoch zum Burro Pass shuttlen. Der normale Preis bis zum Burro Pass sind 30 USD. Von dort hat The Whole Enchilada 45 Kilometer, 2.400 Tiefenmeter und 400 Höhenmeter. Selbst mit Shuttle ist The Whole Enchilada kein leichter Trail – der Downhill ist teilweise sehr fordernd. Und vor allem lang. Ausserdem sind auch ein paar Anstiege zu bewältigen.

Wir haben den oberen Teil – Warner Lake – Beaver Basin Trail (7,5 Kilometer, 700 Tiefenmeter, 240 Höhenmeter) und Hazzard County (5 Kilometer, 360Tiefenmeter, 50 Höhenmeter) ausgelassen, sind dafür aber den Jimmy Keen Trail (12,3 Kilometer, 240 Tiefenmeter, 80 Höhenmeter) gefahren. Kilometermässig war es für uns daher etwa gleich viel, allerdings hatten wir etwa ca. 200 Höhenmeter und 800Tiefenmeter weniger. Hier findet ihr den GPS Track von The Whole Enchilada als Download.

The Whole Enchilada kam mir leichter vor als Mag 7. Das könnte aber auch daran liegen, dass ich mich an den Untergrund und den Trailcharakter gewöhnt hatte. Auf beiden Trails geht es viel bergauf bergab – eine versenkbare Sattelstütze ist daher ungemein hilfreich. Hohe Stufen – auch in Gegenanstiegen erfordern eine gute Bikebeherrschung bzw. Fahrtechnik.

Die Navajo Rock Loops wurde uns noch empfohlen. Wir sind leider nicht dazu gekommen, sie zu fahren, sodass ich hierzu keine persönliche Einschätzung geben kann. Steve und Alix, die wir in Santa Barbara besucht haben, sind die Navajo Rock Loops gefahren, waren allerdings nicht sehr begeistert. Sie meinten, The Wohle Enchilada und Magnificient 7 würden sich mehr lohnen.

Vom legendären Slick Rock Trail wurde uns abgeraten, weil er ursprünglich für Quads angelegt wurde, nicht zum Mountainbiken. Wir sind ihn nicht gefahren, sodass ich euch hierzu leider auch keine persönliche Einschätzung geben kann.

Ausserhalb der Comfort Zone in Richtung Tal - mein erster Trail

Ausserhalb der Comfort Zone in Richtung Tal - mein erster Trail

Liebe auf den zweiten Blick – Moab

Liebe auf den zweiten Blick – Moab